Die Geschichte der Stadt Ostritz

Die erste Ansiedlung um 500 u.Z. war ein slawisches Dorf mit Holz - Lehm - Hütten in Form eines nicht vollständig geschlossenen Rundlings an der alten Straße nach Friedland, an einem Nebenarm der Neiße. Über die Neiße führte keine Brücke, sondern nur eine Furt durch den Fluss. Die Dorfsiedlung Ostros aus dem 6. Jahrhundert gehörte damals zum Weichbild von Zittau und damit zum Königreich Böhmen. Nach böhmischer Gepflogenheit war der Weichbildbezirk Zittau in Herrschaften eingeteilt: Grafenstein, Zittau, Rohnau, Ostritz und ein Teil von Friedland. Um 1230 erhielten die Burggrafen von Dohna auf Schloß Grafenstein vom böhmischen König die Herrschaft Ostritz. Erster Besitzer der Herrschaft Ostritz dürfte Burggraf Otto I. von Dohna gewesen sein. Er wird in der Oberlausitzer Geschichte in den Jahren 1206 und 1239 erwähnt. Seine Tochter Adelheid ist die erste Äbtissin des Zisterzienserinnenklosters St. Marienthal, das 1234 gegründet wurde.

Im Zuge der Besiedlung des deutschen Ostens wanderten im 13. Jahrhundert zahlreiche fränkische Bauern in unsere Heimat ein. In ihrer Heimat waren Grund und Boden in hohem Maße aufgeteilt. Im Osten bot sich Gelegenheit, eigenen Grund und Boden zu erwerben - und die Grundherren ließen es an Entgegenkommen nicht fehlen: persönliche Freiheit, erblicher Besitz, der nahezu als völliges Eigentum angesehen werden konnte, verhältnismäßig niedrig bemessene Abgaben. Nachdem die westdeutschen Einwanderer gewisse Verpflichtungen mit ihrem Grundherren vereinbart hatten, ging man an die Vermessung und Verteilung von Grund und Boden. Zunächst steckte man ein regelmäßiges Viereck ab, den Marktplatz, nach heutigen Maßen 110 m lang und 95 m breit, ein Platz, der in seiner imponierenden Größe sich sehr wohl mit den Marktplätzen anderer Oberlausitzer Städte messen konnte. Er sollte in dem Städtchen als Handels-, Fest- und Versammlungsplatz der Mittelpunkt sein. Von ihm aus gingen in regelmäßiger Planung nach den vier Himmelsrichtungen die Gassen ab, die wieder in Längsgassen mündeten, die mit den Marktseiten nahezu parallel verliefen. Die Baugeschichte bezeichnet diese Gesamtanlage, nach der auch zahlreiche andere Städte planmäßig erbaut wurden, als Kolonialschema (geradlinige Straßenführung, Baublockaufteilung). Die Stadt Ostritz wurde bewusst nördlich der Dorfsiedlung Ostritz erbaut, so dass die Landstraße Zittau-Görlitz mitten durch die Stadt führte. Ostritz ist also eine planmäßige deutsche Neugründung und hat sich nicht aus dem slawischen Dorf entwickelt. Der slawische Name wurde auf die Stadtanlage übertragen. Das ältere Dorf südlich der Stadt blieb selbständig und wurde vorerst nicht eingemeindet.

Alte Urkunden unterscheiden anfänglich zwischen Alt- und Neuostritz (Antiquum Ostros, Ostros novum; Antiqua civitas Ostros, Oppidum Ostros). Als sich später die Bezeichnung "Stadt Ostritz" im Sprachgebrauch durchsetzte, wandelte sich der Name Alt-Ostritz in "Altstadt" um.
 
Gründung des Klosters St. Marienthal: "Nach dem Wortlaut der ältesten Urkunde im Klosterarchiv, datiert zu Prag am 14, Oktober 1234, schenkt die Königin Kunigunde von Böhmen unter Beirat ihres Gemahls, des Königs Wenzeslaus, und mit Zustimmung ihrer Kinder das Gut Siegfriedsdorf (Syfridistorph) nebst Zubehör dem Zisterzienserinnenkloster St. Marienthal zu ihrem und ihrer Eltern Seelenheil." Diese Urkunde ist nicht die Stiftungsurkunde des Klosters, sondern die älteste Schenkungsurkunde. Es darf angenommen werden, dass der Burggraf Otto I. von Dohna schon vor 1234 der Königin Kunigunde den Grund und Boden zur Erbauung des Klosters überlassen hat. Kunigunde war die Tochter des deutschen Königs Philipp IV. von Schwaben. Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, der als jähzornig bekannt war, ermordete 1208 den deutschen König, da dieser wiederholt sein Wort gebrochen hatte. Das war Grund genug für Kunigunde als christliche Herrscherin, eine Sühnestiftung ins Leben zu rufen, zumal dies mit eventuellen territorialen Interessen vereint werden konnte. Wie bereits erwähnt, war die erste Äbtissin Adelheid von Dohna. Sie brachte das religiöse Leben der jungen Stiftung zu hoher Blüte, Ebenso umsichtig sorgte sie für den materiellen Ausbau des Klosters. Es genoss den besonderen Schutz des Königs, war frei von Zoll und Abgaben und erhielt bei Regierungswechsel immer wieder die Bestätigung seiner Rechte, Freiheiten und Besitzungen. Weitere Schenkungen und Käufe mehrten im Laufe der Zeit den Besitzstand des Klosters, innerhalb des 14. Jahrhundert ging somit die Herrschaft Ostritz aus den Händen der Dohna’s in die des Klosters St. Marienthal.


Im Tale der Neiße, halbwegs zwischen Görlitz und Zittau, erblühte ein neues deutsches Städtchen. Ostritz, unter der Herrschaft des Klosters und damit unter der Gunst des Kaisers Karl IV.. Ostritz bekam in einer Urkunde vom 17, August 1357, gegeben zu Prag, neue Rechte und Privilegien. Trotz der kaiserlichen Privilegien war Ostritz im rechtlichen Sinne keine königliche Stadt wie Zittau oder Görlitz, denn es besaß keinen festumgrenzten Weichbildbezirk, kein Rathaus, keine Stadtmauern und Stadttore.
Mit zäher Beharrlichkeit und starkem Selbstbewußtsein gingen Ostritzer Bürger daran, sich eine den Nachbarstädten ebenbürtige Stadt zu schaffen, und die Grundherrschaft, das Kloster St. Marienthal förderte bewusst und nachdrücklich die Pläne der Bürger seiner untertänigen Stadt.
Die Oberlausitzer Sechsstädte beobachteten schon seit langem, was in Ostritz vorging. 1368 hielt der Rat der Stadt Zittau "denen von Ostritz die gebrechen für, daß sie ihnen in die stadtrechte griffen durch erbauung eines rathauses, mauern und thore, weichbildmachen, bierfuhre, richtung des maaßes, hausung der verwiesenen, salzmarkt, brauen und so weiter", Die Ostritzer Bürger ließen sich durch diese Warnung nicht einschüchtern und setzten den Bau des Rathauses und der Stadtmauern fort.
Da rückten am 9. Dezember 1368 die Zittauer, durch Görlitzer verstärkt, 40 Glaffen Fußvolk (etwa 400 Bewaffnete) und 100 Wagen, nebst Zimmerleuten und Maurern, heran, um Rathaus und begonnene Stadtbefestigung zu zerstören.
Die zu dieser Zeit amtierende Äbtissin Agnes von Grißlau schien von der geplanten Gewalttat rechtzeitig Kundschaft erhalten zu haben, denn als die Streitmacht vor dem Rathaus anlangte, hatte sich die Äbtissin mit den Nonnen vor dem Eingang versammelt, um persönlich gegen die Gewaltmaßnahmen zu protestieren. "Do woren dy nunnen us quomen us dem closter und hatten sich gesatzt under dez rathus mit der eptyssinne."
 

Diese mutige Handlung der Äbtissin findet sich noch heute im Stadtwappen von Ostritz wieder: eine Äbtissin mit Stab unter einem turmgekrönten Torbogen. Seitdem symbolisiert das Wappen eine gute Beziehung zwischen dem Kloster und der Stadt auch nach außen hin.

Obgleich die Äbtissin ihren "Respekt" vorschützte und der Bürgermeister Einspruch erhob, drangen Geharnischte und Bauhandwerker mit Gewalt vor, zerstörten das Rathaus, rissen die in Bau befindlichen Stadtmauern nieder und demolierten sogar die Brot- und Fleischbänke.
Klosterherrschaft und Stadtverwaltung wandten sich an den Kaiser. Da dieser im Ausland weilte, ließ sein Stellvertreter, der Prager Erzbischof Johann von Genstein, die Angelegenheit an ein Schiedsgericht überweisen, welches folgendes Urteil fällte: Die Zittauer sollten die zerstörten Brot- und Fleischbänke wieder aufbauen. Die Stadt Ostritz behielt ihre bestätigten Stadtrechte. Im übrigen aber sollten sich "die von Ostritz in zukunft dessen enthalten, wodurch der stadt Sittaw in iren rechten zu nahe getreten werde".

Erst um 1405 gingen die Ostritzer daran, das Rathaus wieder aufzubauen. Die Sechsstädte beobachteten das Geschehen mit einiger Missgunst und hielten dazu Tagungen ab, um über die neuerliche Anmaßung der Ostritzer zu beraten.
Das Rathaus wurde dennoch erbaut. Es fand seinen Standort beherrschend mitten auf dem Marktplatz. Obwohl die Stadt im Laufe ihrer Geschichte mehrmals abbrannte, blieb der ursprüngliche Stadtgrundriss erhalten. Straßenverbindungen bestanden nach Görlitz, Zittau, Grunau, zum Kloster und nach Friedland (weiterhin über eine Furt, wohingegen die Straße nach Grunau mit einer Brücke über die Neiße hinweg führte).

Die Stadt wurde nach Norden und Süden erweitert.
Neue Wegeverbindungen waren der zum Galgen führende Galgenweg und der Pestfußweg. Auf diesen wurden in Zeiten der Pest Reisende an der Stadt vorbeigelenkt.

1825 wurde anstelle der alten Verkehrsverbindung zwischen Zittau und Görlitz, die am südlichen Ortsausgang einen westlichen Verlauf nahm, die Chaussee, die heutige B 99, erbaut.
Bis 1841 gab es wenige Veränderungen im Stadtbild, jedoch nach den Stadtbränden von 1824 und 1841 wandelte sich der Holz- zum Steinbau und die Giebel- zur Traufstellung.
Das Rathaus wurde nach dem Brand nicht mehr in der Mitte, sondern an der Südstrecke des Marktes wiedererbaut. Die Stadt hatte sich in alle Richtungen ausgedehnt.

Industrialisierung der Stadt Ostritz

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts begann in Ostritz die Industrialisierung mit ihren Auswirkungen auf die Stadtentwicklung.
Von 1873 bis 1875 wurde die Eisenbahnstrecke Zittau - Görlitz gebaut.
Dabei wurde eine Begradigung der Neiße auf der Strecke zwischen dem Wehr und dem "Grunauer Bogen" der Neiße vorgenommen, um zwei Eisenbahnbrücken einzusparen.
1884 erfolgte die Eröffnung der "Oberlausitzer Jutespinnerei in Ostritz" auf dem Grundstück zwischen Ostritz und der Neiße, sie nahm ihren Betrieb mit 1500 Spinnern auf.
An der Bahnhofstraße wurde 1886 eine Seidenweberei errichtet.
Außerdem arbeitete die Lederfabrik Sohre und die Mechanische Weberei.
Der Stadtrat fasste 1897 den Beschluss, elektrische Beleuchtung einzuführen.
Ab 1899 gab es in den Straßen und Gassen, wie auch in mehreren Privathäusern elektrisches Licht. Der Strom wurde zunächst aus Hirschfelde bezogen und bald konnte in eigenen Werkstätten mit elektrischen Motoren gearbeitet werden.
Für die Fabrik und weitere Industrieanlagen wurde zum Antrieb der Maschinen der Turbinengraben angelegt, der Hauptverkehrsweg zwischen Zittau und Görlitz verlief weiterhin über den Marktplatz.
1890 wurde die evangelische Kirche eingeweiht.
1895 wurde die Jutefabrik erweitert und ein neues Kontorgebäude errichtet. Für die Arbeiter wurde eine Gruppe von Wohnhäusern, die "Kolonie ", gebaut.
1903 wurde der neue katholische Friedhof eingeweiht.
 Ostritz erweiterte sich nochmals, sowohl durch Wohn- als auch durch Gewerbebauten.
1910 errichtete das Kloster ein eigenes Elektrizitätswerk.
1936 erfolgte durch Beschluss die Eingemeindung des Ortes Altstadt.
Bergfrieden und Marienthal wurden dann auch Siedlungsteile der Stadt Ostritz.

Bis 1938 bestand eine Klosterschule, sie wurde 1938 durch die nationalsozialistische Regierung aufgelöst.
Während des 2. Weltkrieges diente das Kloster als Lazarett.
Mit der Errichtung der DDR und der Grenzziehung zu Polen lag die Region nun wirtschaftlich am Rande Deutschlands.
Die Betriebe, Ostritz hatte mehrere Textilbetriebe und das Lederwerk, wurden verstaatlicht. Die Bauern mußten sich ab 1961 zu landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zusammenschließen.
Im September 1984 beging das Kloster St. Marienthal in Ostritz sein 750-jähriges Bestehen.
Im November/Dezember 1989 fanden auch in Ostritz Demonstrationen statt, um gewaltfrei Veränderungen im Land zu erreichen.
Ein Schwerpunkt war der Protest gegen die Einrichtung einer Giftmülldeponie im alten Basaltsteinbruch.
Seit dem Wegfall der für Ostritz typischen Industriebetriebe (1990-1992) musste sich die Stadt wirtschaftlich neu orientieren.
Die Infrastruktur konnte auf einen modernen Standard ausgebaut werden.

 

Nach der politischen Wende 1989 sah sich der Konvent des Klosters St. Marienthal gezwungen, die Landwirtschaft aufzugeben. Der Boden wurde verpachtet. Im Jahr 1992 wurde das Internationale Begegnungszentrum St. Marienthal (IBZ) gegründet.

Neue Bauten: 1993: Gewerbegebiet Nord; 1994: Abwasser-Klärwerk; 1995: neue Sporthalle; 1996: neues Feuerwehrgerätehaus; 1997; Erweiterungsbau des Caritas-Seniorenheimes, Marktrevitalisierung. 1994 bildete die Gemeinde Ostritz eine Verwaltungseinheit mit Leuba. 1995 beschlossen die Stadträte das Projekt der Energieökologischen Modellstadt Ostritz – St. Marienthal. Gemeinsam mit dem Internationalen Begegnungszentrum St. Marienthal nahm die Stadt Ostritz erfolgreich mit dem Projekt EMOS an der EXPO 2000 in Hannover teil.
Dieser Auftritt fand reges nationales und internationales Interesse. Vor diesem Hintergrund wird die Stadt Ostritz auch in Zukunft Ansprechpartner für ähnlich gelagerte Projekte im In- und Ausland sein. Seit 2007 wird das Projekt im IBZ St. Marienthal fortgeschrieben.

Aufgrund der degressiven Bevölkerungsentwicklung insbesondere in den Jahren ab 2000 wurde im Rahmen des Programms „Stadtumbau Ost“ die „Kolonie“ zurückgebaut. Darüber hinaus liegt seit 1993 der Schwerpunkt der städtebaulichen Entwicklung in der Sanierung der denkmalgeschützten Bausubstanz in Ostritz. Zahlreiche öffentliche und private Gebäude konnten schon saniert werden. Im Ortsteil Leuba wurde dies mit Mitteln aus dem Dorferneuerungsprogramm des Freistaates Sachsen möglich.
Ende 2009 konnte die Sanierung des Rathauses der Stadt Ostritz abgeschlossen werden. Das größte Vorhaben im Rahmen der Stadtsanierung ist für die nächste Zeit die Sanierung der katholischen Kirche. Dafür laufen aktuell die Vorbereitungen.

Mit der Stadt Schloß Holte-Stukenbrock aus Nordrhein-Westfalen bestand in den Jahren 1993 bis 2008 eine Städtepartnerschaft. In vielen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens entstanden Kontakte, die der Stadt Ostritz in den Jahren nach der politischen Wende beim Aufbau hilfreich waren und auch nach Beendigung der offiziellen Partnerschaft 2008 im Privaten weiter geführt werden.

Von 2006 bis 2009 wurde in der Stadt Ostritz ein Hochwasserschutz durch den Freistaat Sachsen zum Schutz vor Hochwässern der Lausitzer Neiße errichtet. Dieser gibt Sicherheit für die Planung der weiteren städtebaulichen Entwicklung, welche gegenwärtig in Form des SEKO – Städtebaulichen Entwicklungskonzeptes - erarbeitet wird.